In den Pfingstferien fuhr eine Abordnung unserer Abteilung nach Venedig, um an der 45. Vogalonga teilzunehmen. Die Vogalonga, ursprünglich begründet als Protestfahrt der Venezianer gegen den motorisierten Schiffsverkehr in ihrer Stadt, ist seit Jahren ein Sportereignis mit internationaler Beteiligung. Teilnehmen darf alles, was mittels Muskelkraft auf dem Wasser bewegt werden kann. Muskeln braucht man auch, um die etwa 30 Kilometer in der Lagune um Venedig herum zu bewältigen.
Am sportlichen Ereignis selbst nahmen Norbert und Hubert jeweils im Einer-Kajak und Anja, Corinna, Tobias (Gastpaddler) und Michael im Vierer-Canadier teil. Anja und Corinna reisten mit Familie an. Wir hatten unser Quartier auf dem Campingplatz Miamare bei Cavallino. Am Samstag, den 8. Juni, dem Tag vor dem großen Ereignis, war Training angesagt. Mit meinem Canadierteam fuhren wir von Cavallino in Richtung der Insel San Erasmo zur Insel Burano. Dort stärkten wir uns mit einer Portion Kaffee und paddelten wieder zum Campingplatz zurück. Zum Glück war diese Strecke von der Motorschifffahrt wenig befahren und wir konnten uns in Ruhe mit den Eigenschaften der Wellen auf dem Meer anfreunden. Es ist schon etwas anderes, wenn die Wellen nicht stehen wie im Wildwasser, sondern unter dem Boot hindurch laufen. Da hieß es, immer den Oberkörper senkrecht halten und schön locker in der Hüfte bleiben.
Am Pfingstsonntag ging es los, wir paddelten wieder von Cavallino los. Der Start am Markusplatz lag etwa 7 Kilometer entfernt. Mitten auf See hörte ich hinter mir ein lautes „Trööööt“. Ich drehte mit um und erblickte ein Kreuzfahrtschiff, das von einem Schlepper gezogen wurde. Mein erster Blick richtete sich auf die vom Schiff „MSC Magnifica“ aufgeworfene Bugwelle. Obwohl ich das herannahende Schiff als harmlos einstufte, wurde meine Mannschaft erst mal nervös. Zugegeben, das Schiff ist etwas länger als 290 Meter und sieht aus der Nähe wie ein Hochhaus aus. Was müssen sich wohl die Fahrgäste gedacht haben, die von den Decks herunter auf unsere Nußschalen blickten und Fotos schossen.
Unsere Tour ging dann an der Westseite der Insel San Erasmo vorbei zur Insel Burano. Diese umrundeten wir nach einer kurzen Pause und begaben uns auf die längste, über freiem Wasser führende Strecke zur Insel Murano. Acht Kilometer wollen erst mal bewältigt werden. Besonders in der Mitte der Strecke hat man das Gefühl, es geht nicht vorwärts, das Land kommt nicht näher. Da half mir stets ein Blick auf die Uhr. Ich wusste, wir brauchen für diesen Abschnitt eine Stunde und 20 Minuten. So behielt ich den Überblick über die noch zurückzulegende Strecke. Angekommen in Murano, ging es durch den Kanal der Insel hindurch, an applaudierenden Zuschauern vorbei. Zu Wasser und zu Land war die Stimmung einmalig. Die letzte freie Strecke führte uns über die Lagune nach Venedig zum Canale Cannaregio und weiter zum Canale Grande zum Ziel am Markusplatz. Dort wurden alle Teilnehmer von jubelnden Zuschauern empfangen.
Die Rückfahrt zum Campingplatz war dann eine richtige Herausforderung. Erstens war die Lagune wieder für den Motor-Schiffsverkehr freigegeben und zweitens spürten wir auf der letzten Etappe die Gezeitenströmung, die uns vom Kurs abbringen wollte. Zum Glück hatten wir Handyempfang und Anja konnte auf dem Display sehen, wo wir uns gerade befanden und ob wir auf dem richtigen Kurs waren. Nachdem wir über 40 Kilometer auf dem Wasser zurückgelegt hatten, kamen alle wieder wohlbehalten in Cavallino an.
– Michael Leininger